Conny Ort und Lucie Friede betreiben gemeinsam »Barfly« und »Plan B«
Auf den ersten Blick wirken die beiden wie Zwillinge – Strahleaugen, dunkle Haare, und im Gespräch schauen sich beide immer wieder an. Bei genauerem Hinsehen sehen sie sich eigentlich nicht wirklich ähnlich. Aber irgendwie sind sie doch Zwillinge – jedenfalls in Geist und Seele.
Conny und Lucie sind seit 25 Jahren beste Freundinnen. Und seit mittlerweile 23 Jahren auch die Seelen vom »Barfly«, jenem liebenswerten Café-Restaurant an der Wilhelm-/ Ecke Brüderstraße. Wer einmal hier war, kommt immer wieder.
Eigentlich sind Conny und Lucie die Chefinnen: nicht nur im »Barfly«, sondern auch in der schräg gegenüberliegenden Bar »Plan B«. Beide Lokale ergänzen einander – noch so eine Zwillingskonstellation. Aber Conny und Lucie haben überhaupt keine Chef-Allüren. Umso mehr Respekt wird ihnen deshalb zuteil. Eines der wichtigsten Worte für das Frauen-Duo ist »Kollektiv«.
Zum Kollektiv gehören nicht nur die ca. 30 Mitarbeiter, die hier gemeinsam eine 7-Tage Woche im Schichtsystem stemmen: ob Springer, Stunden-, Teil- oder Vollzeit, ob Studenten, die sich etwas dazuverdienen, wie auch Mütter mit Kindern, ob am Tresen oder in der Küche. Auch das scheint ein weiblich geprägtes Prinzip zu sein: Flexible Arbeitsplätze für viele zu schaffen, die je nach Bedarf, Zeitbudget und Lebensumständen selbst bestimmen können, wann und wieviel sie arbeiten möchten. Schlecht gelaunte Mitarbeiter hat man als Gast jedenfalls noch nicht getroffen.
Zum Kollektiv gehören aber auch die vielen Freunde, die im Netzwerk helfen, beispielsweise bei der Organisation der zahlreichen kulturellen Veranstaltungen: Lesungen, Féte de la Musique, open stage, Weihnachtsaktionen, Silvesterparties. Und zum Kollektiv gehören auch die Gäste, die maßgeblich das Geschehen mitbestimmen können: etwa, wenn jemand vorschlägt, hier doch mal einen St. Patricks Day zu feiern. »We are family« ist das Motto der beiden Spandauerinnen. Und der Erfolg der Veranstaltungen, die nun schon seit vielen Jahren stattfinden, hat für sie auch viel mit ihrer Heimat zu tun: Denn »was hier dreimal hintereinander läuft, muss für immer bleiben«, so sei Spandau eben, lachen sie.
Die Geschichte des Barfly und des Plan B fing vor 25 Jahren an, als die beiden jungen Frauen sich als Kolleginnen in der Gastronomie kennenlernten. Dann rieten ihnen Freunde, doch ein eigenes Lokal zu eröffnen. 1992 fanden sie die alte Gaststätte an der Wilhelmstraße. Sie hatten kaum Geld, aber viele Freunde, die mit anpackten und halfen, und sie machten mit großem Enthusiasmus vieles selbst. Nach nur sechs Wochen wurde eröffnet. Damals war das Publikum eher studentisch geprägt, und darauf war auch das »Barfly« ausgerichtet: als lebhafte Kulturkneipe, die genauso in der Berliner Mitte funktioniert hätte. Aber so einen quirligen Begegnungsort vermissten die beiden jungen Frauen in Spandau einfach. Ausgerechnet an der eher unwirtlichen Ecke Wilhelmstraße entwickelte sich seitdem so etwas wie ein neues Wilhelmstädter Ausgehzentrum – das »Barfly« war die Initialzündung.
Mit den Jahren veränderte sich natürlich auch das Publikum. Die Gäste wurden etwas älter, gründeten Familien, legten nun eher Wert auf gutes Essen statt auf Parties. Und so wandelte sich auch das »Barfly« zum Restaurant, in dem sich Familien zum Frühstück versammeln, Kinder (die hier immer gern gesehen sind) raus- und reintoben. Parallel hatte gegenüber eine abgeranzte Kneipe zum Verkauf angestanden. Conny und Lucie hatten den Mut, auch diese Räume zu übernehmen. Es passte gut: Während das »Barfly« zum Restaurant wurde, wurde das »Plan B« zur Bar, in denen man Cocktails genießen, kickern und auch rauchen kann. Auch im »Plan B« ist das Mobiliar übrigens bezaubernd: zusammengestoppelte Kinosessel, Tische, die bei ebay ersteigert wurden, selbstbeklebte Türen mit Fotos von schönen Frauen und Filmstars: Das hat Charakter. Über allem flimmert nostalgisch eine bunte Discokugel.
Sieht so aus, als würden Lucie und Conny ihrem Kiez ein Geschenk nach dem anderen machen. Zum Beispiel mit ihrem großen Engagement beim Kiezfest im letzten Juni, als Straßenfest, Fete de la Musique und Fußball-WM-Spiel zusammenkamen. Da investierten die beiden viel Kraft, Arbeit und Energie, und manchmal fragen sie sich, ob man sich das überhaupt leisten kann – wenn man gleichzeitig den eigenen Betrieb vernachlässigen muss. Aber der Kiez ist ihnen wichtig, und sie haben Spaß an ihrer besonderen Mischung aus spontaner Improvisation und disziplinierter Organisation.
Fragt man, wie jede die andere beschreiben würde, sehen sich beide erstmal wie Zwillinge an. Conny sagt dann: »Ich springe eher spontan irgendwo rein. Lucie ist nicht weniger kreativ, aber viel pragmatischer. Sie schützt mich, steht hinter mir.« Lucie sagt: »Conny liebt Herausforderungen und steht schnell in Flammen für Projekte. Conny sieht das Ziel, das große Ganze – und ich sehe die Bausteine, mit denen man Schritt für Schritt dahinkommt.«
Conny sagt: »Wir haben unterschiedliche Herangehensweisen und Wege – aber das Ergebnis ist letztlich immer das Gleiche.«
Beide verbindet nicht nur das gemeinsame Vierteljahrhundert, sondern auch die Liebe zu ihrem Tun, zu ihrem Kollektiv und zu diesem Ort. Spandau, sagen beide, hat ein Riesenpotenzial. Die Havel, das Grün, noch bezahlbare Mieten. Hier gebe es keine Grenzen nach außen, und hier kann sich so viel Kreatives entwickeln.
Und hier, so sagen beide, gibt es direkt gegenüber des »Barfly« den allerschönsten Sonnenuntergang der Stadt. Die Wilhelmstraße als Sunset Boulevard – diese Idee ist so charmant und liebenswert wie Lucie und Conny und das Barfly und Plan B und alle, die da mitmachen.
Das Kollektiv eben.
Ulrike Steglich – Wilhelmstädter Magazin Nr. 1/2015, Februar 2015
Café Barfly, Brüderstraße 47, Tel.: 030-331 55 55, www.cafe-barfly.de
Öffnungszeiten: Mo – Fr: 08 – 03 Uhr, Sa & So: 09 – 03 Uhr
Plan B, Wilhelmstraße 144, Tel.: 030-35 30 55 95
Öffnungszeiten: Mo – So: 17 – 03 Uhr
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