Sägen, Feilen, Löten …

… und noch sehr viel mehr: die Goldschmiede »Foryta« in der Pichelsdorfer Straße

Wer zu Maren Foryta will, muss an der Ladentür klingeln, dann wird aufgeschlossen. Inzwischen ist das bei eigentlich allen Goldschmieden und Juwelieren so. Allein schon, weil oft hinten in der Werkstatt gearbeitet wird. Jetzt klingelt gerade eine ältere Dame, eine Stammkundin, die gerade eben schon da war und noch etwas vergessen hat: Reparaturen von Modeschmuck.

Nach einigem Fachsimpeln mit Frau Foryta, die sich zur Begutachtung die Lupe ins Auge geklemmt hat, sagt die alte Dame: »Wissen Sie, ich denke, wenn doch mal im Urlaub eingebrochen wird, dann denken die, der Modeschmuck sei wertvoll, und suchen nicht nach dem echten Schmuck.« Sie kichert, Maren Foryta lacht.

Maren Foryta ist eine ganz unprätentiöse, natürliche Frau. Cordhosen, Karohemd, lange Haare. Eine gestandene Handwerkerin, die sich selbstbewusst in der Geschäftswelt behauptet. Seit 15 Jahren führt die Goldschmiedemeisterin das Juweliergeschäft in der Pichelsdorfer Straße 75. Vorher lebte und arbeitete die gebürtige Schwäbin zehn Jahre in Hamburg, wo sie eine Filiale leitete – nach Berlin kam sie, wie so viele, der Liebe wegen. Ihr Mann führt das zweite »Foryta«-Geschäft in der Schöneberger Motzstraße.

Das Geschäft in der Pichelsdorfer ist ein alteingesessenes, weiß Maren Foryta. Sie ist jetzt die dritte Inhaberin, kennt die Namen ihrer Vorgänger und erzählt auch, dass dies vor dem Krieg ein Kolonialwarenladen war. Auch sie schätzt, wie so viele Handwerker, die Geschichte und Tradition des Geschäfts hoch: Die hölzernen Vitrinen und Schubladenschränke, in denen Ringe, Ketten, Ohrschmuck und Uhren aufbewahrt sind, sind noch die des Kolonialwarenladens – aufgearbeitet und umgebaut von ihrem Vorgänger.

Nach alten Wilhelmstädter Maßstäben wäre Maren Foryta nach 15 Jahren noch ein »Frischling« im Gebiet. Aber längst ist »Foryta« in der Pichelsdorfer auch eingemeindet, und die Goldschmiedin kennt sich gut aus – in der Gegend, mit den Stammkunden und mit der Nachbarschaft. Sie registriert auch sehr genau die Veränderungen. So, dass derzeit ein natürlicher Generationswechsel stattfinde. »Hier leben viele alte Menschen. Aber inzwischen ziehen auch viele junge Familien nach Spandau, in die Wilhelmstadt. Von meiner ›mittleren‹ Generation gibt es allerdings nicht viele.« Die Wilhelmstadt habe einen eher familiären Charakter: »Hier achtet die Nachbarschaft noch aufeinander, man hat einen Blick für den anderen. Die soziale Aufmerksamkeit füreinander funktioniert ganz gut.«

»Foryta« ist nicht einfach ein Verkaufsgeschäft. Goldschmied ist ein anspruchsvoller Beruf. Er vereint Kreativität und filigranes Handwerk gleichermaßen, außerdem braucht es viel Sensibilität mit Kunden. Manche wollen Schmuck nach ihren Vorstellungen gefertigt haben, andere wollen alten Schmuck als Erinnerungsstücke umarbeiten oder reparieren lassen. Es ist wie in einer Maßschneiderei, sagt Maren Foryta. Kunden kommen mit eigenen Vorstellungen für Anfertigungen – manche sogar aus Hamburg. Mitunter werden auch Entwurfszeichnungen gemacht.

Fragt man die Goldschmiedemeisterin, was die Grundlagen des Handwerks sind, sagt sie schlicht: »Sägen, Feilen, Löten«. Was so simpel klingt, ist nur die Basis. Hinzu kommen die langjährigen Erfahrungen, z.B., wie das Material bei welcher Hitze behandelt, geschmolzen, geformt, geschliffen, poliert werden muss. »Nicht umsonst ist das ein Lehrberuf über dreieinhalb Jahre.« Für den Meisterbrief waren nochmals besondere Prüfungen erforderlich.

Gern würde Maren Foryta noch mehr Eigenanfertigungen für den Laden machen, doch es gibt so viele Bestellungen, und »der Tag hat ja nur 48 Stunden«, lacht sie. Denn neben dem Geschäft, in dem auch ständig ausgebildet wird (derzeit gibt es zwei Auszubildende, die von Maren Foryta betreut werden) engagiert sie sich auch ehrenamtlich für ihre Berufssparte: z.B als Obermeisterin der Gold- und Silberschmiedeinnung in der Handwerkskammer. Hier kümmert sie sich auch um die Nachwuchsförderung, indem sie berlin- und auch bundesweit Lehrlingswettbewerbe organisiert. Das alles ist zeitraubend. »Frauen wissen: Organisation ist alles. Aber ohne die zuverlässigen Mitarbeiterinnen könnte ich das Pensum nicht bewältigen.«

Denn auch in der Wilhelmstadt engagiert sie sich: bei gemeinsamen Aktionen der Gewerbetreibenden wie den Weihnachtsaktionen oder auch dem »Tag des Handwerks«, der jährlich im September auch in Spandau stattfindet. Hier würde sie sich wünschen, dass das Augenmerk noch stärker auf die vielen Handwerker in der Wilhelmstadt gelenkt wird, mit vielen offenen Werkstätten beispielsweise. »Gerade das Handwerk ist prägend für die Wilhelmstadt. Handwerk und Beratung kann man nun mal nicht übers Internet bestellen: Möbel- oder Schuhreparatur, Orthopädietechnik oder eben individuelle Schmuckumarbeitungen wird man immer vor Ort brauchen.«

Ganz nebenbei ist sie auch noch Baumpatin für einen neu gepflanzten Baum vor ihrer Tür. Sie gießt ihn in den trockenen Jahreszeiten, passt auf, dass niemand dort randaliert. Gelernt hat sie auch, dass insbesondere Hunde-Urin den geliebten Robinien entlang der Pichelsdorfer sehr schadet. Ihr Hund darf jetzt nicht mehr an die Baumscheiben.

Das ist ihr auch wichtig: dass die Pichelsdorfer etwas freundlicher wird – beispielsweise durch Straßenbäume.

Ulrike Steglich – Wilhelmstädter Magazin 03/2015, Juni 2015

Juwelier Foryta, Pichelsdorfer Straße 75, Tel.: 030.361 03 83,
Öffnungszeiten: Mo – Fr 09.30 – 18 Uhr, Sa 09.30 – 13 Uhr,  www.juwelier-foryta.de

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