Seit 20 Jahren betreibt Gerd Reinke die Pfandleihe samt An- & Verkauf in der Pichelsdorfer Straße. Auktionator ist er auch.
Pfandleihe – das klingt zunächst nach bitterer Armut, nach 19. Jahrhundert, wie in historischen Romanen.
»Früher haben sich die Leute geschämt, wenn sie zur Pfandleihe gingen und persönliche Dinge aus Geldnot versetzen mussten – aber die Zeiten sind vorbei. Heute ist das eher wie ein normaler Gang zur Bank.« Zügig räumt Gerd Reinke gleich mit ein paar Klischees auf: »Hierher kommen keineswegs nur Hartz-IV-Empfänger, wie manche denken. Es kommt beispielsweise auch der Professor Doktor, der gerade in Kladow ein Haus baut. Bauen kostet, aber der Bankberater ist vielleicht gerade in Urlaub. Und bevor der zurück ist, beleiht der Bauherr lieber hier kurzfristig seine Uhrensammlung – zum Beispiel. Damit kann er die Bau-Rechnung pünktlich zahlen und erhält Skonto.«
Gerd Reinke ist ein freundlicher, aber bestimmter Mann, der trotz erster grauer Haare immer noch jungenhaft und sehr sportlich wirkt. Er steht hinter dem Tresen, um ihn herum im Laden Stereoanlagen, Musikinstrumente, Handys, DVDs, Werkzeuggeräte, ein Gemälde der Dresdner Brühlschen Terrassen. Immer wieder klingelt das Telefon. Am Ladengeschäft in der Pichelsdorfer Straße verkünden Schilder in leuchtendem Gelb und Rot: »Wir kaufen und verkaufen alles, was gut ist und teuer war.« Denn neben der Pfandleihe betreibt Gerd Reinke auch den Anund Verkauf. »Wir beleihen und verkaufen eigentlich alles: Gold, Schmuck, Motorräder, Tablets und Computer, Fototechnik, Spielekonsolen …«
Das macht er nun schon seit 20 Jahren. Denn in Spandau war damals in den 90ern dieser Geschäftszweig völlig unterbesetzt, fand er. Es gab nur zwei An- und Verkaufsläden und eine Pfandleihe, und angesichts des nahen Rentenalters der Betreiber dachte Gerd Reinke, dass hier durchaus noch Platz und Zukunft sei für sein Geschäft. Er fing an mit dem An- und Verkauf, ergänzte dann durch das Pfandleihgeschäft, für das er auch ein Zertifikat hat, und absolvierte dann noch die Sachkundigenprüfung als Auktionator. Es ist ihm wichtig, dass alles seriös ist und eine solide fachkundige Basis hat: Pfandleiher Erlaubnis gem. § 34 Abs.1 GewO, Auktionator Erlaubnis gem. § 34b Abs. 1 GewO, so steht es auf den Visitenkarten. Das hier ist schließlich kein Flohmarkt.
Aber sind Internet-Börsen wie ebay nicht eine gehörige Konkurrenz zu herkömmlichen An- und Verkaufsgeschäften? Reinke lächelt sanft, fast mitleidig. »Eigentlich spielt uns ebay eher zu.« Viel zu kompliziert und undurchschaubar seien die Verkaufsregelungen dort, die Fehlerquote für Laien hoch, die oft Verlustgeschäfte machen würden. »Zu mir kommen auch viele Kunden, die ebay-geschädigt sind.« ebay ist anonym, beim Fachgeschäft aber schaut man sich in die Augen und wird beraten.
Die Pfandleihe ist eines der ältesten Geschäfte, seit es Geld als Zahlungsmittel und Kredite gibt. Im korrekten Pfandleihgeschäft wird der angebotene Gegenstand zunächst auf seinen Wert geschätzt, dann ein Pfandschein für drei Monate ausgestellt, wobei geringe Zinsen und Gebühren anfallen. Nach drei Monaten kann der Pfandschein weiter verlängert werden. Die angebotenen Gegenstände werden nicht nur genau taxiert, sondern auch versichert. Es ist ein Vertrauensverhältnis. Reinke nimmt das sehr ernst. »Wenn Sie beispielsweise mit einem Collier ankommen, das Sie von der Großmutter geerbt haben, und wollen das mit 1000 Euro beleihen, ich stelle dann aber fest, dass es ca. 50.000 Euro wert ist. Dann werde ich Sie darauf aufmerksam machen, dass der Pfandkredit völlig übersichert wäre. Das ist einfach meine moralische Pflicht. Ich würde Sie dann fragen, ob Sie vielleicht etwas Kleineres anbieten können, was dem Kreditwunsch von 1000 Euro eher im Wert entspricht.«
Prompt klingelt das Telefon, ein potenzieller Kunde hat eine Frage, offensichtlich will er etwas verkaufen. Reinke fragt zurück: »Ja, haben Sie denn eine Preisvorstellung? Die sollten Sie haben! Was ist denn, wenn ich jetzt einfach mal zehn Euro sagen würde?« Er empfiehlt, sich schon vorher im Internet kundig zu machen, was der Zeitwert der angebotenen Ware sein könnte.
Wo aber bringt er die beliehenen Motorräder unter? Um die Ecke hat er eine große Garage gemietet, und es ist kein Wunder, dass er auch Bikes annimmt – schließlich ist er selbst leidenschaftlicher Biker und ehrenamtlich engagiert im M.C. Hermsdorf, der seit 11 Jahren eine Biker-Sommertour durch Berlin und Brandenburg zum »Sonnenhof« organisiert, einem Kinderhospiz, in dem schwerstkranke Kinder und ihre Familien betreut werden. Die Spenden, die die Biker während der jährlichen Sommerfahrt bei Sponsoren einwerben, kommen dem Hospiz zugute. »Es ist toll, wenn man direkt sehen kann, welche Spielzeuge von den Spenden des letzten Jahres gekauft werden konnten und wie sich die Kinder freuen. Das ist einfach was Konkretes«, sagt Gerd Reinke, und die Augen leuchten. – Obwohl die diesjährige Tour erst am 30. August stattfindet, bereiten sie jetzt schon die Sommertour 2016 vor, denn der Organisationsaufwand ist erheblich: Routen müssen geplant, Teilnehmer und Sponsoren geworben und zahllose Genehmigungen eingeholt werden. Doch das ist Gerd Reinke die ehrenamtliche Mühe wert.
Ulrike Steglich – Wilhelmstädter Magazin 04/2015, Juli/ August 2015
»… alles« – An- und Verkauf, Pfandkredite, Versteigerungen, Inh. Gerd Reinke, Pichelsdorfer Str. 123, Tel. 030.332 15 74,
Öffnungszeiten: Mo – Fr 10 – 18.30 Uhr, Sa 10 – 13 Uhr, www.allesberlin.de
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