Die Brüder Hijazi betreiben seit 14 Jahren die »Fein Bäckerei« in der Adamstraße 10
»Fein Bäckerei« steht in fein geschwungenen Buchstaben auf dem Ladenschild unter der Markise. Drei Stufen geht es hinab in die kleine Verkaufsstube im Souterrain, dann taucht man ein in angenehme Wärme und den Duft frischen Backwerks – und in einen kleinen Mikrokosmos.
Denn die »Fein Bäckerei« ist viel mehr als nur Backwarenverkauf – hier scheint sich der ganze Kiez rund um die Adamstraße zu treffen. Die wenigsten holen hier einfach nur knusprige Schrippen, die meisten bleiben länger, auf einen Kaffee und ein paar frisch belegte Brötchen oder ein Stück süßes Gebäck zum Frühstück und vor allem auf ein Schwätzchen. Immerhin sechs Sitzplätze gibt es in dem kleinen Raum. Bei schönem Wetter sind auch die Holzbänke vorm Laden ein begehrtes Plätzchen, auch im Winter sitzen dort Raucher mit einem Pott Kaffee unter dem Wetterschutz. Morgens und vormittags herrscht ein stetes Kommen und Gehen, es summt hier manchmal wie in einem Bienenstock. Und auch die Preise sind kiezkompatibel: Wo kriegt man schon noch einen großen Pott Kaffee oder Tee für einen Euro?
Eine Bäckerei befand sich hier schon mindestens seit 1947, weiß der Chef zu erzählen. Seit 2004 führt er nun mit seinem drei Jahre jüngeren Bruder das Geschäft, nachdem es hier immer wieder Eigentümerwechsel gegeben hatte: Es gibt nicht mehr viele, die den Betrieb einer Bäckerei und das damit verbundene frühe Aufstehen auf sich nehmen. Auch die beiden Brüder sind keine gelernten Bäcker: Der Ältere, Jahrgang 1973, hat an der TU Berlin studiert und ist Diplom-Betriebswirt. »Aber mein Bruder ist der geborene Frühaufsteher, insofern passt das mit der Bäckerei gut!«, lacht Hijazi. Denn schließlich müssen ja sehr früh am morgen trotzdem die Teiglinge in Empfang genommen und in den Backkonvektor geschoben werden, müssen Brötchen belegt und Kaffee bereitet werden, bevor um sechs Uhr geöffnet wird und die ersten Gäste kommen.
Nach Spandau hat die Brüder eher der Zufall geführt. Nachdem sie eine Weile eine Filiale der Bäckerei-Kette »Kamps« gepachtet hatten, wollten sie sich endlich richtig selbständig machen, mit einem eigenen Laden. Der fand sich hier in der Adamstraße. Andere Bäckereien ringsum schlossen – was beide sehr bedauerlich finden –, aber die Fein Bäckerei blieb seit 2004 eine Konstante. Auch, weil sie eben mehr ist als eine Bäckerei.
Hinter dem Verkaufstresen trifft man meist den älteren der Hijazi-Brüder an. Er kennt alle Stammkunden mit Namen, die Atmosphäre ist familiär, die meisten hier sind per du. Hier plaudert man nicht nur mit Freunden oder Kollegen, sondern eben auch mit dem Mann hinterm Tresen. Da geht es gleichermaßen um Neuigkeiten im Kiez wie um Gesundheitsfragen oder auch solche kosmetischer Natur, um das Wetter, um die kleinen und größeren Kümmernisse des Alltags und um Lebensphilosophien.
Dafür ist »der Chef« der ideale Gesprächspartner: zugewandt, freundlich, charmant, ein guter Zuhörer, er hat Humor, findet immer eine passende Antwort, beherrscht also die Kunst des »kleinen Gesprächs« im schönsten Sinn. Man merkt: Die Arbeit und die vielen Gespräche hier machen ihm Spaß. Nicht zuletzt deshalb fühlen sich hier viele so wohl.
Der Laden sei für viele auch ein Treffpunkt: »Manche nennen ihn mitunter ›die Zentrale‹«, lacht er – die Bäckerei ist schon so etwas wie ein kleiner Kiezmittelpunkt. An den Wochenenden und vor Feiertagen kommen auch Leute aus Charlottenburg oder Kladow, um sich hier mit Backwaren einzudecken. Sogar im Ausland, berichtet er, sei die Bäckerei schon Gesprächsthema gewesen: »Ach, die Spandauer Bäckerei mit den drei Treppen runter«, hieß es da.
Das Familiäre, Familie ist hier überhaupt sehr wichtig. Es gibt zwei Aushilfskräfte, aber das Geschäft wird von den Brüdern geführt. Zwar haben beide inzwischen eigene Familien, der eine lebt in Reinickendorf, der andere in Charlottenburg, doch sie sind weiter eng verbunden: »Mein Bruder ist auch mein bester Freund.« Oft kommt auch der der Papa der beiden vorbei, inzwischen 76 Jahre alt. »Er hängt sehr an uns«, sagt der Sohn, »und er findet: Wer rastet, der rostet.« Reich wird man mit so einer Bäckerei nicht, aber darum geht es auch gar nicht. »Wir verdienen so, dass wir leben können. Das reicht«, sagt der Chef. Früher hatten sie bis 18 Uhr geöffnet, aber das Hauptgeschäft spielte sich eben bis 14 Uhr ab. Also schließt er nun um 14 Uhr, wenn kaum noch jemand kommt. Und am nächsten Morgen summt es hier wieder wie im Bienenstock. Pünktlich ab sechs Uhr.
Ulrike Steglich, Wilhelmstädter Magazin Nr.2, April/Mai 2018
Fein Bäckerei, Adamstraße 10, geöffnet 6 -14 Uhr
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