Einfach loslassen

Ewa Betz bietet in ihrer Praxis Erholung für gestresste Seelen an

Wer die Praxis von Ewa Betz im Altbau-Erdgeschoss in der Ulmenstraße betritt, verspürt sofort den dringenden, unwiderstehlichen Impuls, sich auf eine der Bodenmatten zu legen, das rote Nackenhörnchen ins Genick zu schieben, sich mit einer der roten oder gelben flauschigen Decken zuzudecken und einfach wegzudämmern. Zu einladend ist dieses behaglich eingerichtete Zimmer, in dem sanfte Musik zu hören ist, Tee auf einem Stövchen vor sich hin simmert und Klangschalen stehen.

Damit wäre das Anliegen schon halb erfüllt – denn Ewa Betz bietet Entspannungskurse, auch Hypnose und Psychotherapie für gestresste Seelen an.

Immer mehr Menschen kennen diesen Zustand: Obwohl man eigentlich todmüde und erschöpft ist, wälzt man sich dennoch schlaflos im Bett hin und her, die Sorgen lassen nicht los, im Kopf kreisen die Gedanken unablässig. Auf Dauer macht solcher Seelenstress krank.

Ihnen kann Ewa Betz helfen. Seit Juni letzten Jahres betreibt sie ihre Praxis für Entspannungs- und Psychotherapie in der Wilhelmstädter Ulmenstraße. Im Flur ihrer Praxis hängen zahlreiche Zertifikate, die ihre Qualifikation als Heilpraktikerin für Psychotherapie und als Entspannungspädagogin belegen. Außerdem bietet sie jeden Montag im Stadtteilladen Adamstraße kostenlose Beratung zu Stressbekämpfung und Entspannung an. »Entspannungsübungen zu lernen, ist wie radfahren oder schwimmen lernen. Und besser, man fängt damit spät an als nie. Am besten ist natürlich Prävention, damit man erst gar nicht in einen Burnout-Zustand gerät«, sagt Ewa Betz. Genau dazu berät sie auch ehrenamtlich im Stadtteilladen.

In ihrer Praxis gleich um die Ecke gibt sie Kurse für kleine Gruppen mit maximal sechs Personen. Trainiert werden anerkannte Entspannungstechniken wie die progressive Muskelrelaxation oder autogenes Training. Ein Kurs umfasst acht Einheiten zu jeweils 90 Minuten, die Kurse (120 Euro) werden bis zu 100% von den Krankenkassen finanziert, sogar bis zu zwei im Jahr. Denn auch die Krankenkassen haben erkannt, dass die steigende Zahl stressbedingter Symptome alarmierend ist und psychosomatische Erkrankungen zu den häufigsten Gründen für Krankschreibungen gehören – vor allem in Berlin. Ewa Betz weiß selbst gut, was Stress bedeutet. Sie hat als Alleinerziehende zwei Kinder großgezogen, hat inzwischen drei Enkel (was man bei ihrem jugendlichen Aussehen kaum glauben mag) und eine bewegte Biografie, in der sie eine ganz wesentliche Erfahrung gemacht hat: »Alles ist möglich.«

Geboren in den polnischen Masuren, zog sie als Erwachsene nach Deutschland – ein Neustart in einem fremden Land, noch dazu mit kleinen Kindern, ist nicht einfach. Sie hat erst Geografie studiert, absolvierte danach eine kaufmännische Ausbildung und später in Nordrhein-Westfalen eine Ausbildung zur Krankenschwester. Als Krankenschwester absolvierte sie auch ein Seminar zu Entspannungstechniken – und als sie das Erlernte bei ihren Patienten anwendete, spürte sie, wie gut es ihnen tat, wenn sie bei den Behandlungen beruhigenden Zuspruch erhielten und sich entspannen konnten. So kam sie auf die Idee, sich auf diesem Gebiet beruflich weiterzubilden.

»Es ist wirklich verblüffend, wie sehr Entspannungstechniken auch physische Schmerzen lindern können! Manchmal stehen Patienten hier nach den Übungen auf und wundern sich, dass sie plötzlich keine Schmerzen mehr spüren. Natürlich kommen die Beschwerden wieder, sobald man sich wieder in den alten Kreislauf, die eingefahrenen Muster begibt. Deshalb ist es wichtig, die Entspannungsmethoden wiederholt einzuüben und Geduld zu haben.«

In ihren bunt gemischten Gruppen erlebt sie Menschen unterschiedlichsten Alters: die jüngsten sind um die zwanzig, die ältesten über 80. Alle lernen, wie man loslassen kann und Lasten, die nun mal nicht wegzureden sind, doch zumindest anders bewältigt. Wie sehr positives Denken sogar das physische Wohlbefinden beeinflussen und zu Heilungsprozessen beitragen kann, ist inzwischen auch wissenschaftlich erwiesen – in den letzten Jahren hat die medizinische Forschung einige Langzeitstudien zu diesem Thema vorgelegt, wie beispielsweise der SPIEGEL jüngst berichtete.

Ewa Betz kam vor drei Jahren nach Berlin. Sie wohnt in Schönwalde, aber in Spandau entdeckte sie das leer stehende Ladengeschäft, in dem sie nun ihre Praxis hat. An den Wänden der liebevoll renovierten Räume hängen Aquarelle, sie zeigen Städtesujets: Berlin, Venedig. Ewa Betz malt auch selbst – auch das ist eine Form der Entspannung.

Sie freute sich, als sie zufällig den Stadtteilladen mit seinen Angeboten entdeckte, und wollte sich auch gern ehrenamtlich dort engagieren. »In die Sprechstunde kommen viele ›Stammkunden‹, die einfach Gesprächsbedarf haben – darunter auch viele, die wie ich irgendwann zugezogen sind. Es gibt viele Gespräche, nicht nur über Entspannung, sondern auch über den Stadtteil. Der Stadtteilladen ist wirklich eine gute Sache.«

Gern würde sie sich im Kiez noch mehr engagieren, ihr Umfeld etwas verschönern, und sie hat dazu etliche Ideen: beispielsweise die Baumscheiben vor ihrer Tür zu bepflanzen oder sich für mehr Sauberkeit im Kiez einzusetzen.

Ewa Betz ist keine Esoterikerin und gehört nicht zu jenen, die Stress per se verteufeln. »Es gibt Distress und Eustress, negativen und positiven Stress. Stress ist ja auch eine wichtige menschliche Triebkraft. Aber wenn er krank macht, sollte man etwas tun.«

 

Ulrike Steglich, Wilhelmstädter Magazin Nr. 2, März/ April 2017

Ewa Betz, Ulmenstraße 6, 13595 Berlin, Tel. 0176.70979111, www.entspannungstherapie-betz.de, ewabetz@gmx.de

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