Des Hundes liebster Feind

Seit 47 Jahren macht die Hundefriseuse Christiana Mücke mit ihren tierischen Kunden in ihrem Hundesalon in der Pichelsdorfer Straße 141 all das, was Herrchen oder Frauchen nicht gerne tun: Waschen, trocknen, Haare und Krallen schneiden.

Die Hunde gehen nicht immer gerne in ihren Salon. Wenn sie Mücke aber auf der Straße treffen, freuen sie sich und lassen sich von ihr knuddeln.

Der vordere Bereich des Hundesalons ist leer. Auf dem Regal an der linken Wand sitzen Stofftiere, an der Hauptwand befindet sich der Bezahltresen, an der Wand daneben hängen ein paar Dankeskarten und Erinnerungsfotos. Aus dem hinteren Laden raum ruft eine dunkle Stimme: »Einfach reinkommen!« Christiana Mücke steht vor einem überdimensional großen Strand-Wandbild an einem Operationstisch und frisiert einen an Nacken und Hintern angeleinten Bologneser im Nackenbereich.

Der Operationsraum wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen: Auf dem Boden liegen Hundehaare, es riecht nach nassem Hund und kaltem Rauch. Auf der linken Seite des Raumes stehen ein Regal mit Kaffeemaschine und Computerspielen, dahinter beiden sich eine große Badewanne und ein Kühlschrank, an der rechten Wand zwei so genannte Trockner, an Mikrowellen erinnernde Maschinen zum Trocknen kleiner Hunde. Die Friseuse deutet auf den Bologneser vor ihr: »Das ist der 9 Uhr Termin. Den habe ich erst gebadet, dann war er in der Trockenbox, dann wurde er geschoren, jetzt schneide ich noch die Feinheiten. Frauchen und er fühlen sich wohler, wenn er im Sommer ganz kahl ist. Im Winter wird er dann nur mit der Schere geschnitten.« Es ist zehn Uhr. Christiana Mücke blickt auf die große Wanduhr gegenüber dem Operationstisch und sagt: „Der 10 Uhr Termin scheint nicht zu kommen.« Sie kämmt den Bologneser langsam an den Ohren und schneidet vorsichtig letzte störende Gesichtshaare weg. Als er sich einmal kurz nervös wegdreht, redet sie ihm gut zu: »So, jetzt haben wir es gleich geschafft. Das sitzt doch jetzt alles auch schon viel besser, oder?«

Eine Bekannte kommt herein. »Die kommt immer, wenn ihr Zuhause die Decke auf den Kopf fällt«, sagt Mücke und drückt ihr einen Besen in die Hand. Die Bekannte beginnt die Hundehaare wegzufegen, nimmt Christiana Mücke den fertig frisierten Hund ab und leint ihn vorne am Schaufenster an. Derweil holt die Friseuse ihren 11 Uhr Termin ab: einen Chitsou, einen chinesischen Tempelhund, dessen verfilztes Haar entknotet und geschoren werden soll.

Die Hunde, die in den Salon kommen, sind nicht immer begeistert. »Ich bin der Hunde liebster Feind, weil ich in kürzester Zeit all das mache, was sie nicht mögen: baden und bürsten. Und das lange Stehen muss natürlich auch nicht sein. Ganz oft ducken sich die Hunde schon, wenn sie in den Laden kommen. Draußen sieht das dann ganz anders aus: Wenn ich sie da treffe, habe ich keine Schere und keinen Kamm – nur Hände zum Knuddeln.«

Seit 1969 arbeitet sie hier in ihrem eigenen Hundesalon. »Ich kam zu dem Beruf wie die Jungfrau zum Kind: Nach der Schule habe ich Drogistin gelernt, aber ich kam mit meiner Chefin nicht klar und wollte da weg. Meine Mutter hat damals neben einem Hundesalon gearbeitet und meinte: ›Wär‘ das nicht auch was für dich?‹. Mücke hat ihre Entscheidung für ihren Salon nie bereut. Auch wenn das Geschäft schon lange nicht mehr so gut geht wie noch vor ein paar Jahren.

»Damals waren Pudel in Mode. Die mussten alle sechs bis acht Wochen zum Friseur. Jetzt sind Kurzhaarhunde eher der Trend, da kommen die Leute weniger.« Und auch die Nachfrage nach Hundeprodukten im Einzelhandel hat abgenommen. »Früher habe ich vorne Hundekörbe und Pflegezubehör verkauft. Dann ist Fressnapf gekommen und die Kunden dachten irgendwie, da ist das günstiger. Dabei stimmt das nicht unbedingt. «

Für Mücke ist die Arbeit kein Job, sondern eine Berufung: »Wenn ich hier abends die Tür zuschließe, bin ich vollkommen zufrieden. »Nur am Verdienst hapert es: »Ich sag mal so: Scheiden lassen könnt‘ ich mich nicht.« Sie lacht. An Scheidung ist ohnehin nicht zu denken: Mit ihrem Mann ist sie seit 46 Jahren glücklich verheiratet und freut sich schon auf den gemeinsamen Ruhestand.

Die Arbeit fällt ihr zunehmend schwerer: »Ich bin 65, da schleichen sich Zipperlein ein. Lange kann ich nicht mehr machen. Es ist ein körperlich sehr anstrengender Beruf. Stellen Sie sich mal vor, wie es ist, so einen großen Bobtail vor sich zu haben, der noch nie gekämmt wurde. Da alle Knoten rauszukriegen, kostet echt Kraft.« Seit ein paar Jahren arbeitet Christiana Mücke allein. »Nur wenn ich einen großen Hund wie eine Dogge habe, dann rufe ich meinen Mann an und bitte um Hilfe.«

Ihr Mann hilft gerne aus, sonst aber hat es der verrentete Busfahrer nicht so mit Hunden. »Ich sag mal so: Mein Beruf ist nicht der Beruf meines Mannes.« Sie selbst liebt Hunde, hatte aber noch nie einen und möchte auch keinen mehr: »Der müsste ja entweder 10 Stunden alleine bleiben oder hierhin mitkommen. Und dann knuddele ich hier den ganzen Tag andere Hunde und schicke meinen aufs Plätzchen. Und wenn ich in Rente gehe, freue ich mich, nur noch Verantwortung für mich selbst zu haben.«

 

Eva-Lena Lörzer, Wilhelmstädter Magazin Nr. 4, September/ Oktober 2016

Hundesalon Christiana Mücke, Pichelsdorfer Str. 141, 13595 Berlin , Tel. 030.361 67 49

 

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